Wohin mit der Marke?

Die Marke ist ein zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. Viele Mittelstandsunternehmen sehen sie jedoch nur als nachgelagerten Marketingaspekt – und verschenken dadurch wertvolles Potenzial.

„Die Marke – was war das gleich noch mal? Ach ja, dieses emotionale Drumherum um das Produkt, das Logo, die Verpackung, die Werbung dazu. Kümmert sich unser Marketing drum, zusammen mit der Werbeagentur.“ So oder so ähnlich antworten viele Mittelständler, wenn man sie fragt, was eine Marke ist und wo dieser „Voodookram“ in ihrem Unternehmen angesiedelt ist.

Diese Einschätzung kommt nicht von ungefähr. Sie ist Teil einer allgemeinen Entwicklung, die ihren Ursprung im Management selbst hat. Genauer: im Ego vieler Manager. Denn dort wird „managen“ meist verstanden als: bestimmen, wo’s lang geht. Managen bedeutet aber: führen. Und das kann eigentlich nur der, der weiß, wo es überhaupt lang gehen soll. Woher kommt aber die Orientierung?

In vielen Unternehmen sieht die Realität wohl so aus, dass die Ingenieure, Techniker, Chemiker und Programmierer in den Entwicklungsabteilungen die heimlichen Herrscher über die „Strategie“ des Unternehmens sind. Was von ihnen entwickelt wird, wird mit Hilfe einiger Produktdesigner und Werber auf den Markt gebracht. Mit dem Ergebnis, dass je nach Branche 75 bis 90 Prozent aller Produkteinführungen floppen.

Schuld daran sind in der Regel zwei Faktoren: zu wenig Orientierung an den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer und mangelhafte Einbindung in einen übergeordneten Sinnzusammenhang, den man als Marke bezeichnen könnte.

Marke ist mehr als emotionales Drumherum 

Designer beklagen seit Jahren, dass sie immer erst dann ins Boot geholt werden, wenn das Produkt auf funktionaler Ebene bereits „fertig“ ist. Denn das Design wird ähnlich stiefmütterlich behandelt wie die Marke: Es ist oft nur noch ein nachgelagerter Arbeitsschritt, dem es nicht mehr gelingen kann, einen wirklichen „Unterschied“ zu generieren.

Ohne Unterschied – sei es auf funktionaler oder ästhetischer Ebene – ist eine Differenzierung im Markt aber nicht möglich. Den können auch Marken nicht bzw. nicht nachhaltig erzeugen, wenn sie erst im Nachhinein hinzuaddiert werden. Eine Marke kann nur dann differenzieren, wenn sie von Anfang an bei der Produktentwicklung mitgedacht wird. Das setzt aber ein Umdenken in vielen Unternehmen voraus: Konkret gilt es, Abschied zu nehmen von einem Markenbild, das die Marke auf ihre äußeren Aspekte reduziert. Denn die Marke ist mehr als das Logo, das Erscheinungsbild, die Verpackung und das Produkt.

Marken sind komplexe Sinnsysteme, die die Aufgabe haben, die Komplexität, in der wir leben, zu reduzieren, die uns als Verwender Orientierung und Sicherheit geben, uns als Mitarbeiter zu Höchstleistungen motivieren und uns als Managern eine klare Entscheidungsgrundlage liefern. Starke Marken bieten nicht nur Images und Identifikationsangebote für die Markenkommunikation, sondern essenzielle Aussagen für die Produktentwicklung, das Innovationsmanagement und das Service Design.

Dass eine Marke nach diesem Verständnis nicht Anhängsel des Marketings sein kann und darf, versteht sich von selbst. Vielmehr geht es darum, die Marke möglichst hoch im Unternehmen anzusiedeln. Nicht umsonst heißt es, Markenmanagement sei Chefsache.

Unternehmen, die markenorientiert denken und planen wollen, sollten daher zunächst ihre langfristigen Marken-, Design- und Innovationsstrategien aufeinander abstimmen. Gemeinsam bilden diese das Fundament und die Koordinaten für das Markenmanagement. Dieses wiederum reguliert die Angebotsentwicklung, das Marketing und die Entwicklungsrichtung in der F&E-Abteilung. Der Vorteil dieser Unternehmensstruktur: Alle Abteilungen ziehen an einem Strang und leisten ihren jeweiligen Beitrag, damit das Gesamtbild des Unternehmens der Marke entspricht.

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Ein effizientes Korrektiv für die Unternehmensführung

Ein Unternehmen, das als umweltbewusst wahrgenommen werden will, kann das nicht nur durch vereinzelte Maßnahmen (oder lediglich in seiner Kommunikation) bekunden. Es muss die angestrebte Umweltorientierung in seiner Marke sicht- und wahrnehmbar verankern: durch entsprechende Markensignale, die getragen werden durch das Design und die Materialität seiner Produkte und entsprechende Anstrengungen im Innovationsbereich. Nur wenn das gesamte Unternehmen vom „Geist der Marke“ durchdrungen ist, wirkt die Marke glaubhaft und authentisch.

Durch kontinuierliches Brand Monitoring, d.h. Abfragen der Imagewerte einer Marke, können Schwachstellen aufgedeckt und gezielt angegangen werden. Stellt die Marktforschung etwa fest, dass eine Marke, die sich betont innovativ gibt, deutlich weniger innovativ eingeschätzt wird als ihre Wettbewerber, kann das Unternehmen sofort reagieren: durch eine Innovationsoffensive auf Produkt- oder Service-Ebene, die durch entsprechende Kommunikation begleitet wird. Wird festgestellt, dass der „kundenfreundliche Service“, den die Marke verspricht, von den Kunden als gar nicht so freundlich eingeschätzt wird, kann durch ein Service Design, das sich an der Marke orientiert, ein deutlicher Unterschied zum Wettbewerb gemacht werden. Image und Identität lassen sich bei markengetriebenen Unternehmen durch gezielte Maßnahmen schnell wieder in Einklang bringen.

Unternehmen ohne entsprechendes Markenbewusstsein haben es da schwerer. Wenn die Marke nur ein nachgelagerter Bereich ist, sprich: ein Anhängsel für die Produktvermarktung, das keinen Einfluss auf die Produktentwicklung selbst hat, wird es schwierig, im Misserfolgsfall den „Schuldigen“ zu finden: Hat das Produkt nichts getaugt oder war die Marke falsch aufgesetzt? War das Design schlecht oder der Service? Muss der Vertrieb noch mal ran oder das Marketing?

Wenn Abteilungen nicht am gleichen Strang ziehen, ziehen sie an verschiedenen – und arbeiten damit gegeneinander. Kunden merken das – werden illoyal oder entscheiden sich gleich für die Alternative. Unternehmenserfolg ist daher in erster Linie Markenerfolg. Eine Marke, die intelligent und sensibel geführt wird, wird sich am Markt durchsetzen. Aber dazu müssen alle Abteilungen des Unternehmens kooperieren und sich dem Marken-Spirit unterordnen.