Lean Brands: Vom Channel Marketing zum Keyword Marketing

Als Marketing-Spezialist ärgert man sich gerne über Unternehmen, die ihr Marketing an das Ende ihrer Wertschöpfungskette stellen: Wenn das Produkt entwickelt ist, soll das Marketing zusehen, wie es das Zeugs an den Mann bringt. Dabei sollte mittlerweile doch eigentlich klar sein, dass Marketing eine Disziplin ist, die den gesamten Produktentwicklungs-, Herstellungs- und Vertriebsprozess begleiten sollte.

In der Produktentwicklungsphase kann das Marketing wichtige Consumer Insights beisteuern und Hinweise auf relevante Trends geben, um damit das Design neuer Produkte, Services oder Ökosysteme zu optimieren. Insbesondere der letzte Punkt, das Design von komplexen Ökosystemen, die den Kunden über perfekt synchronisierte Touchpoints, Datenströme und Serviceketten möglichst auf ewig an eine Marke binden, ist ohne das Know-how der Marketingabteilung kaum umzusetzen. Denn hier sollte im Zuge der anhaltenden Digitalisierung der Werbe- und Vertriebskanäle bereits eine solide Basis für eine nachhaltige Transformation des gesamten Unternehmens in Richtung Digitalität entstanden sein. Schließlich funktioniert Marketing heute fundamental anders als noch vor wenigen Jahren.

Modernes Marketing ist eine Maschinerie, die auf Trial-and-Error-Basis am laufenden Band kleinere Tests und Experimente fährt, um zu verstehen, was beim Kunden ankommt und was nicht. Zeitgemäßes Marketing  verfolgt eine Vielzahl von Metrics und leitet daraus sinnvolle KPIs ab, um seine Performance zuallererst selbst einmal zu verstehen. KPIs sind nichts, was man vorgeben sollte, um die Marketingverantwortlichen auf Ziele festzulegen. Ziele sind von gestern, Relikte aus einer Welt, die weniger komplex und steuerbarer war. Wer heute ehrlich zu sich ist, wird zugeben müssen, dass Kunden unberechenbarer geworden sind und in immer kleineren Gruppen an immer mehr Orten abgeholt und umgarnt werden müssen. Das Gießkannen-Prinzip funktioniert nicht mehr. Heute geht es um „Flippern statt Bowling“, wie es BrandEins (Februar 2015) treffend formuliert. Eine Entwicklung also, die meiner Ansicht nach unweigerlich vom Channel Marketing zum Keyword Marketing tendiert.

Wer verstanden hat, wie und wonach Kunden suchen, was sie kritisieren und was weiterempfehlen, kann Marken gezielt auf deren Bedürfnisse hin ausrichten. Das intuitionsbasierte Design von Zielformulierungen, Markenwerten und Werbeaussagen kann und sollte man sich zukünftig besser verkneifen, wenn es nicht auf einer Vielzahl bereits geleisteter  Monitoring Results, Performance Insights und Search Analyses aufsattelt. Markenberater, die mit bunten Bildern („Welches Tier wäre Ihre Marke?“) und lustigen Gruppen-Spielchen („Next Year’s Headlines“) versuchen, eine Marke aus dem kollektiven Unbewussten Ihrer Mitarbeiter abzuleiten, sollten Sie schleunigst und ohne Begleichung etwaiger Honorarnoten vor die Tür bugsieren.

Investieren Sie Ihre Zeit und Ihr Geld lieber in Tools, die Ihnen sagen, wie Kunden sie besser finden, wie sie mehr SEO-Traffic bekommen und welche Antworten Sie geben müssen, um Ihre Kunden zu begeistern und ihre Wettbewerber auszustechen (z.B. Google Keyword Planner, Market Samurai, XOVI, WDF*IDF Analyse etc.). Effektives Marketing macht schließlich nichts anderes als den Kunden zuhören, sie verstehen und dann Produkte, Services und Kommunikation zu entwickeln, die perfekt mit den Bedürfnissen der einzelnen Tribes matchen. All das ist richtig und auch gut, aber nur dann erfolgreich, wenn eine Marke auch ihre Keywords fest im Griff hat.

Meine eigenen Analysen im Bereich Keyword-Recherche haben mir gezeigt, wie schwer es ist, außerhalb von Nischen noch auf relevante Keywords bzw. Phrasen zu ranken. Neue Angebote haben es in der Regel überaus schwer, über die organische Suche gefunden zu werden, wenn es sich nicht um ein wirklich neues Angebot handelt, das gewissermaßen einen neuen Markt oder eine neue Kategorie eröffnet. Eine Strategie, die sich deshalb in Zukunft bewähren könnte, könnte sein, via Push-Marketing neue Keywords zu bewerben, für die man sich im Pull-Bereich noch ohne großen Aufwand die besten Search-Platzierungen sichern kann.

Aber auch hier gilt: Es wird in Zukunft immer weniger sichere Prognosen geben, ob Angebote erfolgreich sein werden oder nicht. Statt Kampagnen in Wasserfall-Manier zu exekutieren, sollte man lieber mit den neuen Formen des Lean Branding und Lean Marketing liebäugeln und sich in mühevoller Klein- und Handarbeit über Trial-und-Error seine Lead Position Keyword für Keyword und Link für Link geduldig erarbeiten. Marketing wird damit das neue „Handwerk“ für Wissensarbeiter.

 


 

Drei Artikel aus BrandEins zum Schwerpunkt „Marketing“ (Februar 2015) möchte ich in diesem Kontext unbedingt empfehlen: