Wie das digitale Zeitalter (neue) sinnlich wahrnehmbare Dimensionen erschafft – Teil 3

Vortrag beim 18. G·E·M Markendialog 2014

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3. Wie bringen wir neue Sinneserfahrung hervor?

Wenn man dieses erweiterte Verständnis von Sinn als Ausgangspunkt nimmt und mit den zahlreichen neuen Möglichkeiten der Datengewinnung kombiniert, entstehen digital vorangetriebene Technologien und Anwendungen, die durchaus die Fähigkeit haben, unser sinnliches Wirklichkeits-Erleben immens zu erweitern. Dazu würde ich Ihnen gerne ein paar Beispiele zeigen.

Dank sozialer Medien sind wir zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte nicht mehr allein, sondern ständig von unseren Freunden umgeben, zumindest virtuell. Spannend ist dabei, dass das sofortige Feedback auf unser Handeln unsere Wahrnehmung von uns selbst und der Welt sowie von der Gemeinschaft verändert. Das hat alles Auswirkungen auf unseren Sozialsinn. Ist es nicht eine spannende Erfahrung, wenn Sie auf Facebook eine Frage stellen und Sie bekommen sofort von hundert Menschen eine Antwort darauf? Oder: Es gibt Apps, wo Sie ein Foto machen von Sachen, die Sie anhaben und Ihre Freunde, Ihre Peers, geben Ihnen sofort ein Feedback darauf: „finden wir gut“, „steht dir gut“. Ich weiß nicht, ob es etwas verändert, aber ich denke: Wenn es um eine Erweiterung unserer Sinne geht, verändert sich hier etwas in unserem Denken und unserem Bewusstsein: Wir treten aus den Grenzen unserer eigenen beschränkten Wahrnehmung ein Stückchen heraus und erweitern unser Sein um die Perspektiven der anderen.

Ein weiteres Beispiel, ich habe es Soziale Geografie genannt. Wenn man weiß, wo sich seine Freunde oder Bekannten gerade aufhalten, lässt einen das die Welt völlig neu wahrnehmen und erleben. Und zwar in einer räumlichen Dimension. Begegnungen sind nicht mehr zufällig, alles kann geplant werden. Ein neues Gefühl zur Kontrolle der Welt entsteht. Zum Beispiel: Google Latitude oder die foursquare friendsmap. Wenn ich mich mit diesen Applikationen beschäftige und ich weiß, dass zehn meiner besten Freunde gerade in der Nähe sind, löst das in mir was anderes aus, als wenn ich nur so an jemand denke, den ich vielleicht schon länger nicht mehr gesehen habe oder generell an jemand denke. Es passiert etwas in meinem Kopf. Da erweitert sich etwas. Das ist so eine Sinneswahrnehmung, die man auch hat, wenn man auf Facebook geht und schaut, welche Kontakte ich habe. Man ist immer wieder in verschiedenen Geschichten mit drin, erinnert sich an Menschen, mit denen man schon mal zu tun hatte und die Erlebnisse mit denen. Alles bekommt eine andere Präsenz und vielleicht auch eine Art soziale Präsenz.

Zum Stichwort Quantified Self: Das Überwachen unserer körperlichen oder kognitiven Leistungen durch permanentes Feedback verändert ein Stück weit unser Körpergefühl und Ich-Bewusstsein. Der Vergleich mit anderen Menschen – in Echtheit – schärft unsere Sinne dafür, wie gut unsere Leistungen sind. Das sind alles Dinge, die ohne das Digitale, ohne entsprechende Apps und Devices, die wir ständig mit uns rumtragen, so gar nicht möglich wären.

Bei der Gestensteuerung geht es um die Erweiterung von Eigenbewegungs- und Vital-Sinn. Neue Technologien stimulieren unseren Eigenbewegungs- und Gleichgewichtssinn und so den Vital- und den Ich-Sinn. Die Magie der Technologie besteht hier vor allem in dem Eindruck, mit dem eigenen Körper die Welt bewegen zu können. So nach dem Motto: Alles hört auf mein Kommando. Das Bewusstsein für den eigenen Körper und seine Funktionen verbessert sich.

Ein ganz neuer Bereich ist das Thema Gedankensteuerung. Es geht um Gehirnwellen-basiertes Computing, das Interaktionen allein durch die Kraft der Gedanken erlaubt. Das Muse Headband zum Beispiel macht aus Gedanken sinnlich wahrnehmbare Erfahrungen. Das ist keine Science Fiction mehr, es funktioniert tatsächlich schon. Audi hat mit seiner Mindrace-Idee daraus einen ersten Marketing Case gemacht, bei dem Spieler des FC Barcelona rein über die Kraft ihrer Gedanken Carrerabahn-Autos steuern und dadurch ein Rennen fahren. Machen wir uns also darauf gefasst, in nächster Zeit noch öfter mit dem Thema Gedankensteuerung zu tun zu bekommen.

Ein letztes Beispiel: Augmented Reality, die Erweiterung von Seh-, Orientierungs- und Gedanken-Sinn. Augmented Reality ist die Zukunfts-Technologie, die wir bereits am besten kennen. Immer mehr Apps bieten Funktionen, die einen digitalen Informations-Layer über die reale Welt legen und die Objekte um uns herum in verschiedene Kontexte stellen. Die Sensibilisierung unseres Kontext-Bewusstseins verändert und erweitert dabei unsere Wahrnehmung der Objektwelt. Ich nehme die Realität einfach anders wahr, indem ich weitere Dimensionen von ihr sehe. Auch wenn diese nur aus Information bestehen.

Neue Sinneserlebnisse werden möglich

Wir haben gesehen, dass neue technologische Möglichkeiten unsere Sinne nicht einfach nur direkt reizen, also über Perzeption, sondern dass sie indirekt neue Sinneserlebnisse ermöglichen, nämlich durch Assoziation. Und die digitale Welt endet eben nicht an der Grenze dieser Wirklichkeits-Nachahmung oder Simulation. Bei der digitalen Welt geht es darum, das Wirklichkeits-Erleben technisch zu erweitern.

Gewinner all dieser Entwicklungen ist unser Gehirn. Wir werden ein neues, vielschichtigeres Gefühl für uns selbst und unsere Umwelt bekommen – bekommen können durch die Nutzung digitaler Technologien. Wir werden unseren Sinn für unseren Körper und unsere Stimmung für unser Gegenüber und die Welt nutzbringend stimulieren und erweitern können.

Was bedeutet das für die Markenführung?

Bleibt eine Frage: Welchen Einfluss haben diese Entwicklungen auf die Markenführung? Ich will schließen mit einigen abschließenden Gedankenanstößen in Form von drei Fragen:

1. App-Mentalität: Nutzer erwarten situative Unterstützung. Müssen Marken immer auch eine digitale Komponente haben, um zukünftig erfolgreich zu sein?

2. Internet of Things: Konnektivität durchdringt alle Lebensbereiche. Verlangen „Soziale Medien“ und „Soziale Objekte“ in letzter Konsequenz auch nach sozialen Marken?

3. Digitale Welt: Das Digitale als Erweiterungs-Layer der realen Welt. Müssen Marken anbieten, das Bewusstsein und die Sinne / Fähigkeiten von Menschen zu erweitern, um zukünftig erfolgreich zu sein?

Ich hoffe, ich konnte Sie für dieses spannende Thema ein wenig begeistern und mit meiner Sichtweise inspirieren, dass außer den fünf Sinnen noch viele andere spannende Sinneserfahrungen auf uns warten, die das Digitale erst so richtig zur Blüte bringen wird.

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