Wie das digitale Zeitalter (neue) sinnlich wahrnehmbare Dimensionen erschafft – Teil 1

Vortrag beim 18. G·E·M Markendialog 2014

Präsentation ansehen

Als Kommunikationsstratege beschäftigt man sich täglich mit der Frage, wie wir die menschlichen Sinne durch digitale Produkte, Anwendungen und Interfaces ansprechen können. Und wie wir das digitale Erlebnis möglichst sinnlich gestalten können. Die Herausforderung besteht darin, zu verstehen, was die digitale Welt heute alles ausmacht. Aber auch, was Sinne eigentlich sind und welche Sinne für das Digitale sinnvoll ansprechbar oder nutzbar sind beziehungsweise welche neuen Sinneswahrnehmungen man damit hervorbringen kann. Darüber möchte ich heute mit Ihnen sprechen.

Ich habe meinen Vortrag in drei Fragen gegliedert: 1. Die digitale Welt – was ist das eigentlich? 2. Was sind neue Sinneserfahrungen? 3. Wie bringen wir neue Sinneserfahrung hervor?

1. Die digitale Welt – was ist das eigentlich?

Für viele Menschen sieht der Zugang zur digitalen Welt vor allem so aus: Eine Tastatur, eine Maus, ein Monitor. Monitore prägen heute im Wesentlichen unseren Zugang zur digitalen Welt. Darauf befinden sich dann Textverarbeitungsprogramme, Tabellenkalkulationen, Projektmanagement-Software etc. Ein großer Teil der Menschen ist zudem im Internet unterwegs. 920 Millionen Websites haben wir mittlerweile weltweit. Im Oktober 2006 waren es gerade mal 100 Millionen. Das zeigt: Wir haben es hier mit einem Erfolgsmodell zu tun. Und man kann sagen: Für viele ist das Internet der Inbegriff der digitalen Welt geworden.

Mobile Devices, also Laptops, Smartphones, Tablets und mehr, erlauben uns immer und überall den Zugang in diese digitale Welt. Das iPhone hat dabei unseren Umgang mit der Informations- und Kommunikationstechnologie maßgeblich geprägt, radikal verändert und nachhaltig umgestaltet. Interessant: PC-Verkäufe gingen in 2013 weltweit um 15 Prozent zurück zugunsten von Tablets, die 2014, so erwartet man zumindest, etwa die Hälfte aller Computerverkäufe ausmachen werden.

Die Digitale Welt hört im Computerbereich natürlich nicht auf. Derzeit werden viele neue Technologien marktreif. 2014, das kann man vielleicht prognostizieren, wird das Jahr von „Glass“, der Datenbrille von Google. Gleichzeitig kommen neue Gadgets und Wearables auf den Markt: Smart Watches und intelligente Kleidung. Und nicht zuletzt wird das Thema Augmented Reality immer omnipräsenter und wird unseren Alltag in Zukunft zunehmend prägen.

Ein weiterer Aspekt des Digitalen sind Computer- und Videospiele. Über diesen Weg bin ich erstmals mit der digitalen Welt in Berührung gekommen. Ich hatte damals einen Freund, der hatte einen Atari 2600, das war Anfang der 1980er. Wir haben immer zusammen gespielt, damals gab es noch den Joystick. Mittlerweile sind Joysticks vom Markt verschwunden, ich habe zumindest schon lange keinen mehr gesehen. Wir haben es mittlerweile mit anderen Arten von Computern zu tun und ganz anderen Systemen. Die Spielekultur, die Computer- und Videospiele neu angestoßen haben, ist auch ein sehr interessanter Trend. Mittlerweile spielt in Berlin in der S-Bahn jeder Zweite auf seinem Smartphone irgendein Casual Game. Und wenn man sich die Verkaufszahlen von Konsolen und Computerspielen anschaut, kann man sich ungefähr vorstellen, wie es in den heimischen Wohnzimmern aussieht: Es wird gedaddelt in Deutschland.

Nicht zuletzt revolutionieren Sensoren zunehmend unsere Wahrnehmung von uns selbst und von der Welt und sensibilisieren uns für Bereiche, denen wir oft eigentlich nur wenig Aufmerksamkeit schenken. Die Vernetzung „Mensch und Technik“ nimmt zu und ermöglicht es uns, uns selbst und die Welt um uns herum intensiver wahrzunehmen. Unbewusstes wird ins Bewusstsein gerückt und durch diese neuen Technologien verstärkt. Darauf möchte ich später noch genauer eingehen.

Das Digitale als Treiber

Die Entwicklung macht aber auch hier nicht halt, die Devise für morgen lautet: Smarter Planet, smarter Humans. Das heißt: Unser Planet wird immer schlauer, die Menschen werden immer schlauer. Und einer der wichtigsten Treiber hinter dieser Schlauheit ist das Digitale. Kulturpessimismus hin oder her, es ist nicht alles schlecht, was auf uns zukommt. Nehmen wir das Internet of Things. Es verbindet perspektivisch alles mit allem – und zwar in allen möglichen Lebensbereichen: Wohnen, Reisen, Automobil, Kultur, Energie.  

In naher Zukunft wird jeder Gegenstand in unserem Alltag einen Chip haben, eine Sim-Card, der man eine eigene IP zuweist und sie so ansteuerbar macht. Sei es als Input-Lieferant oder als Steuerungseinheit. Hierfür wurde 2012 der Internet-Standard IPv6 mit 340 Sechstillionen Adressen etabliert (eine Zahl mit 38 Nullen). Sie können noch viele Objekte produzieren und in Umlauf bringen, es wird für jedes Objekt auf der Welt eine IP-Adresse verfügbar sein. Im Gegensatz zu den nur 4,3 Milliarden IP-Adressen beim heutigen Standard IPv4.

Auch der Mensch wird erweitert bzw. er erweitert sich selbst. Durch viele neue Technologien, Interfaces, Devices und Geräte bis hin zu Neuroimplantaten, gehirngesteuerten Prothesen und Gadgets. Diese Verschmelzung von Mensch und Technik, diese gemeinsame Evolution, ist sicher nicht Jedermanns Sache. Sie birgt aber zumindest aus Sicht meines Vortragsthemas immense Möglichkeiten, um die Wirklichkeitserfahrung um neue, sinnliche Dimensionen zu erweitern. Gepusht wird diese Entwicklung insbesondere von dem aktuellen Buzzword Big Data. Darunter fallen herkömmliche Datenquellen wie Nutzer-, Nutzungs- und Transaktionsdaten, aber auch neue Quellen wie Social Media, Public Data, Geo-, Sensor- oder Gerätedaten im Kontext des Internet of Things.

Marshall McLuhan schrieb 1969: „Alle Medien sind Erweiterungen der menschlichen Möglichkeiten, geistig oder körperlich. Das Rad: eine Erweiterung des Fußes. Das Buch: eine Erweiterung des Auges. Kleider eine Erweiterung der Haut. Elektronische Schaltkreise eine Erweiterung des Nervensystems. Jede solche Erweiterung eines Sinnesorgans verändert auch das Denken.“ – Ich möchte ergänzen: nicht nur das Denken, sondern auch unsere Wahrnehmung, unser Bewusstsein und unsere Vorstellung von der Welt.

Zusammenfassend zeigt sich damit: Die digitale Welt ist mehr als nur unser Computer, Tablet oder Smartphone, worauf wir häufig gerade im Marketing die Aufmerksamkeit richten. Es ist auch mehr als das Internet, wie wir es kennen. Die digitale Welt hat sich zu etwas entwickelt, was man als zweite Realität bezeichnen könnte. Ein technologischer Layer über der physischen Welt und damit eine Erweiterung der realen Welt und des Menschen.

Weiter zu Teil 2